Griese Gegend
Die Griese Gegend liegt etwa zwischen der Elbe im Süden und der Berlin-Hamburger Autobahn im Norden und findet seitliche Begrenzung durch Müritz-Elde-Wasserstraße und Sude. Die Städte Hagenow, Grabow und Dömitz ducken sich vorsichtig am Rand, nur Lübtheen und Ludwigslust liegen mittendrin. Das Land in Dunkelgrün und Grau prägte seine Menschen. Es sind stille Menschen in einem stillen Land.
„In ihren eckigen Köpfen ist viel Klugheit. Langsam im Denken, Reden und Handeln, erwarten sie nichts vom Augenblick, halten aber zäh an dem fest, was sie sich einmal vorgenommen haben“, sagte einst Johannes Gillhoff. Gelassenheit zeichnet sie ebenso aus wie Bedächtigkeit, auch ein wenig Misstrauen gegenüber jedem Fremden. Ihre Freundschaft gewinnt man schwer, wenn aber, bleibt sie beständig.
Die Griese Gegend ist eine ehemalige Heidelandschaft mit tiefsandigen Wegen, großen Kiefernforsten, schmalen Feldstreifen, großen Dörfern, aber kleinen Höfen und süd- und südwestwärts sich hinziehenden flachen Talungen mit Wiesen und Weiden. Der Boden besteht überwiegend aus Sand, wenn man von den moorigen Niederungen und einigen wenigen Inseln mit sandigem Lehm oder lehmigem Sand absieht. Die Oberflächengestalt ist das Ergebnis eiszeitlicher Einflüsse. Gewaltige Schmelzwassermengen flossen dem Urstromtal der Elbe zu und hinterließen eine Ebene, aus der nur die Plateaus von Warlow-Picher und Bockup-Conow-Malliß herausragen.
Höhenzüge grenzen das Elbtal ab, gestatten aber Durchlässe für die in den Fluss sich entwässernde Elde, Sude, Löcknitz und Rögnitz. Die Griese Gegend ist das Gebiet Mecklenburgs mit dem Niederschlags-Maximum. Gerade die Wasser sind es, die im Laufe der Entwicklung den Boden ausgewaschen haben, der dabei seiner natürlichen Nährstoffe beraubt wurde. Die obere Schicht erhielt eine graue Farbe. Der Sand ist für die Bewohner der schwerste Boden überhaupt, denn er bleibt gleich liegen und klebt nicht am Stiefel des Bauern.
Der Ursprung des Namens Griese Gegend wird auf die Farbe des Bodens zurückgeführt, die dem Aussehen nach grau bis aschgrau ist. Demnach ist Griese Gegend gleich Graue Gegend. Gries ist im Niederdeutschen auch ein Ausdruck für arm und karg. Der leichte Sandboden ließ keine hohen Ernteerträge erwarten. Die Region galt als arme Gegend.
Die Ersterwähnung in der Literatur verdankt die Griese Gegend aber der selbstgefertigten grauen Kleidung der Bewohner. Die Männer aus dem Südwesten zogen noch um 1870 wegen der wenig anfallenden Arbeit in ihren Heimatdörfern während der Erntezeit auf die großen Güter Mittel- und Ostmecklenburgs. Dort fielen die Erntehelfer durch ihre ungefärbte schlichte Kleidung auf und unterschieden sich von der allgemein vorherrschenden blauen oder schwarzen Arbeitstracht. Sie wurden die Griesen genannt, die natürlich aus der Griesen Gegend kamen.
Es bedarf schon der Verständnisses, der Hingabe, um die Region lieb zu gewinnen, die in der Hauptsache bis heute ein Bauernland mit eigenständigen Sitten und Bräuchen geblieben ist.
Alte Traditionen verkörpert auch die Baukultur. Auf den Höfen herrscht das Niederdeutsche Hallenhaus vor. Die Häuser wurden mit reich verzierten Giebeltrapezen errichtet. Eine Besonderheit gibt es noch: Kaum in einer anderen Landschaft deutschen Sprachgebietes finden sich Bauwerke solcher Einzigartigkeit wie die Glockentürme und die Friedhofsmauer in Ludwigslust oder die Bauernstellen und Büdnereien in Bresegard, Glaisin und Strohkirchen.
Hier fand der Klump Verwendung beim Bau von Mauern und Häusern. Die charakteristischen Bauten prägen die Griese Gegend und machen sie zusätzlich reizvoll. Der Klump, der zur Ausfüllung des Fachwerks diente und dem Gebäude ein unverwechselbares Muster verlieh, ist Raseneisenstein, Eisenerz also, das reichhaltig in den torfig-feuchten Niederungen und Bachtälern nahe der Oberfläche vorkommt.
So lockt die Griese Gegend erhaben mit ihrer herben Schönheit: den stillen Wäldern in der grauen Ebene, in der im Herbst rosa das Heidekraut blüht, den Mooren mit Wollgras und Preiselbeeren, den Erlenbrüchen und Eichenhorsten. Schwermütige Düneneinsamkeit lädt ein zum Wandern und Verweilen.